Er baute sich ein ortsunabhängiges Online-Business, lange bevor das cool war. SEO und Affiliate-Marketing machten Robert Brandl zum Gründer eines digitalen Imperiums. Doch dann kam erst Corona, dann Google – und schließlich die KI. Im Gespräch mit Thorsten Wälde erzählt er, wie er sein Business neu aufstellt, warum Fokus alles ist und was ihn heute noch antreibt.
Robert, du lebst in Barcelona und führst ein Remote-Business mit über zehn Mitarbeitenden. Wie kam es eigentlich dazu?
Der ursprüngliche Impuls kam ganz klassisch: Ich wollte ortsunabhängig arbeiten, das Buch 4-Stunden-Woche von Tim Ferriss hat mich damals stark beeinflusst. Als ich dann 2009 die ersten Testberichte über Homepage-Baukästen wie Jimdo und Wix schrieb, war das eher ein Experiment. Doch Google mochte die Inhalte, und mit Affiliate-Marketing konnte ich plötzlich Geld verdienen. So entstand Tooltester.
Und wie wurde daraus ein Team und eine Firma mit echter Struktur?
Der Wendepunkt war, als ich merkte: Ich kann mich nicht klonen. Also musste ich Aufgaben abgeben. Die erste Festanstellung kam 2013, dann folgten weitere. Barcelona war dabei ein echter Vorteil – hier leben viele internationale Talente, die gerne bleiben, auch wenn sie nicht ständig den Job wechseln.
Tooltester war lange dein Flaggschiff. Aber dann kam der Knick, oder?
Genau. Während Corona explodierte der Traffic – und danach fiel er in ein Loch. Parallel hat Google seinen Algorithmus angepasst. Plötzlich wurden vor allem starke Domains bevorzugt. Egal, wie gut unser Content war – Seiten wie Forbes oder CNET überrollten uns. Das war hart.
Wie bist du damit umgegangen?
Wir haben alles versucht: besseren Content, mehr Fokus, E-A-T, Topical Authority – aber der Traffic ging weiter zurück. Gleichzeitig lief unser Nebenprojekt E-Mail-Tooltester konstant gut. Also haben wir Anfang 2023 umgeschwenkt. Der komplette Fokus liegt seitdem auf diesem Projekt – und siehe da: Der Traffic zieht wieder an.
Was macht E-Mail-Tooltester anders?
Es ist spitz positioniert. Wir sprechen gezielt kleine und mittlere Unternehmen an, die sich ernsthaft mit E-Mail-Marketing beschäftigen. Das Thema ist technisch, komplex und braucht Expertise. Genau da können wir punkten – mit Tiefe statt Breite.
Du hast auch einen YouTube-Kanal mit über 30.000 Abos. Wie wichtig ist der für euch?
Sehr! Gerade bei komplexen Tools sagen Videos mehr als jeder Text. Es stärkt unsere Marke, zeigt unsere Persönlichkeit – und bringt auch direkten Traffic. YouTube ist für uns kein Nice-to-have, sondern strategisch wichtig.
Und wie siehst du KI in deinem Content-Modell?
Zweiseitig: Einerseits hilft es, Content effizienter zu produzieren. Andererseits entsteht gerade eine Flut an KI-generierten Inhalten. Google reagiert darauf mit KI-Overviews, was klassische Klicks weiter reduziert. Deshalb müssen wir uns neu positionieren – mit eigener Marke, echtem Mehrwert und vielleicht auch neuen Produkten.
Was war für dich rückblickend der größte unternehmerische Denkfehler?
Der Glaube, dass SEO ewig so funktioniert. Und dass man mit breitem Content alle abholen kann. Heute weiß ich: Fokus schlägt Breite. Und Diversifikation ist kein Luxus, sondern überlebenswichtig.
Was motiviert dich heute noch, nach über zehn Jahren im Business?
Neugier. Ich liebe es, neue Themen zu durchdringen, neue Tools zu testen, Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln. Und: Ich habe ein super Team. Mein Ziel ist, ihnen den Raum zu geben, zu wachsen – und selbst immer wieder die Perspektive zu wechseln.
Was rätst du anderen Solopreneuren, die heute starten?
Fang an. Sei neugierig. Und hör nicht auf, wenn es mal hart wird. Die meisten Learnings entstehen aus Krisen. Und wer sich heute klug aufstellt, hat mit KI ganz neue Chancen. Es ist die spannendste Zeit seit dem Internetboom.