Wofür stehst du – und wofür nicht?
Positionierung klingt einfach, ist aber für viele Selbstständige eine der größten Herausforderungen. Nora Müller, Expertin für Positionierungsstrategien und Gastgeberin des Podcasts „Nora positioniert“, weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es sein kann, sich als Solopreneur klar zu definieren. Im Gespräch erzählt sie, warum Positionierung so entscheidend ist, wie sie ihre eigenen Hürden überwunden hat und welche Rolle Perfektionismus dabei spielt.
„Nora, was genau bedeutet Positionierung aus deiner Sicht – und warum ist sie für Solopreneure so essenziell?“
Nora Müller: Positionierung bedeutet für mich, dass du weißt, wofür du stehst – und ebenso, wofür du nicht stehst. Es geht darum, Klarheit darüber zu gewinnen, welche Richtung dein Business nehmen soll, mit wem du arbeiten möchtest und welche Werte du nach außen kommunizierst. Besonders für Solopreneure, die oft ihre Persönlichkeit ins Zentrum stellen, ist das essenziell. Bei Dienstleistungen spielt zudem die persönliche Ebene eine viel größere Rolle als bei klassischen Produkten.
„Klingt logisch, aber warum fällt es dann selbst den Profis oft so schwer, sich klar zu positionieren?“
Nora: Ich glaube, das kennen viele: Wir sind oft betriebsblind für unser eigenes Business. Besonders bei Themen wie einem Podcast-Launch oder neuen Angeboten fehlt oft die Vogelperspektive. Ich habe bei meinem Podcast selbst gemerkt, dass ich mitten im Prozess plötzlich das Gefühl hatte, die Richtung nicht klar zu sehen. Da hilft es, innezuhalten und bewusst alles auf den Prüfstand zu stellen – nicht nur die große Idee deines Business, sondern auch jeden einzelnen Kanal oder jedes Angebot.
„Was waren die größten Stolpersteine bei der Entwicklung deines Podcasts?“
Nora: Definitiv der Anspruch, gleich alles perfekt machen zu wollen. Meine erste Folge war ein Testballon, und obwohl ich wusste, dass sie noch nicht perfekt war, habe ich sie veröffentlicht. Dieses Unperfekte zu akzeptieren, war eine Herausforderung. Außerdem habe ich gelernt, dass ich keine klassische Interviewerin bin. Ich höre meinen Kundinnen lieber zu und arbeite mit ihnen an Lösungen, statt im Podcast starre Interviews zu führen. Diese Erkenntnis war ein Aha-Moment: Ich habe meinen eigenen Stil entwickelt – ein Format, das meine Stärken betont und für meine Hörerinnen echten Mehrwert bietet.
„Du betonst immer wieder, wie wichtig klare Angebote sind. Was macht ein starkes Angebot für dich aus?“
Nora: Ein starkes Angebot basiert auf Klarheit – sowohl für dich als auch für deine potenziellen Kund:innen. Du solltest nicht nur wissen, was du anbietest, sondern auch, für wen es gedacht ist. Ein gutes Angebot ist immer darauf abgestimmt, was die Zielgruppe gerade wirklich braucht. Wenn dich jemand fragt: „Was bietest du an?“, und du kannst in einem Satz antworten, bist du gut aufgestellt. Das ist die Grundlage für jede Kommunikation, sei es auf deiner Webseite, in einem Gespräch oder bei einem Workshop.
„Apropos Workshops: Du hast gesagt, dass du eine besondere Methode entwickelt hast. Wie sieht die aus?“
Nora: Meine Arbeit beginnt immer bei der Person selbst. Ich schaue: Welche Stärken bringt jemand mit? Wo liegen ihre Herausforderungen? Erst danach geht es ins Geschäftsmodell und zur Zielgruppe. Ich nutze viele kreative Ansätze, etwa Whiteboards, um Gedanken zu visualisieren. Eine Methode, die sich bei mir bewährt hat, ist das „Zusehenlernen“. Ich lasse Teilnehmer:innen dabei zusehen, wie ich mit anderen arbeite. Das hat einen großen Aha-Effekt – sie können viel für sich selbst mitnehmen, ohne aktiv beteiligt zu sein.
„Wie wichtig ist Social Media für dich – und wie gehst du mit den Herausforderungen um?“
Nora: Ich habe eine Hassliebe zu Social Media, vor allem zu Instagram. Einerseits ist es ein großartiges Tool, um sichtbar zu werden. Andererseits setzt es mich oft unter Druck, ständig präsent zu sein und Content zu liefern. Mein Podcast ist da ein Gamechanger. Er ermöglicht mir, Inhalte in meinem Tempo und auf meinem Niveau zu produzieren. Anders als bei Instagram verschwindet eine Podcast-Folge nicht nach einem Tag. Sie bleibt und kann immer wieder entdeckt werden.
„Du hast erwähnt, dass Perfektionismus oft ein Thema für dich ist. Wie gehst du damit um?“
Nora: Perfektionismus ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Einerseits hilft er mir, hochwertige Arbeit zu leisten. Andererseits bremst er mich manchmal aus, weil ich zu viel will. Mein größtes Learning war, zu akzeptieren, dass es nie perfekt sein wird – und dass das okay ist. Der Schlüssel liegt darin, zu wissen, wann etwas „gut genug“ ist, um rauszugehen.
„Zum Abschluss: Welchen Rat würdest du Selbstständigen geben, die noch unsicher in ihrer Positionierung sind?“
Nora: Fang an, dich mit deiner Positionierung auseinanderzusetzen – auch wenn du noch nicht alles perfekt weißt. Frag dich: Wofür stehe ich? Welche Werte möchte ich vermitteln? Und für wen bin ich wirklich da? Positionierung ist ein Prozess, der sich mit deinem Business entwickelt. Du musst nicht von Anfang an alles wissen – aber du musst bereit sein, dich immer wieder zu hinterfragen und anzupassen.